Beschwerden entstehen oft durch Fehlhaltungen des Körpers und dadurch bedingter Fehlbelastungen von Wirbelsäule und Gelenken sowie durch Verspannungen der Muskulatur. Ziel der Bowen-Therapie ist es, mit weichen, sanften Bewegungen die Muskeln, Sehnen und Bänder zu entspannen und ihnen nötige Ruhephasen zu gönnen. Durch diese Tiefenentspannung werde es dem Organismus ermöglicht, sich selbst neu ein- und auszurichten, um in ein besseres inneres, schmerzfreies Gleichgewicht zu kommen.
Die Behandlung besteht aus einer Reihe sanfter, präziser Griffe – meist leichte rollende Bewegungen, die mit den Fingern ausgeführt werden. Die Stellen, an denen diese sogenannten „Bowen Moves“ angesetzt werden, finden sich meist an Muskulatur, Sehnen, Bändern und Faszien. Die stimulierten Punkte weisen Übereinstimmung mit Punkten auf, wie Sie in der Traditionellen Chinesischen Medizin (Akupunktur) oder anderen manuellen Behandlungsformen (z.B. Triggerpunkt-Behandlung) Einsatz finden, beschränken sich aber nicht darauf. Je nach Diagnose werden unterschiedliche Griffe kombiniert und in festgelegter Reihenfolge angewendet. Das geschieht in der Regel mit nur leichtem Druck auf die obere Gewebeschicht.
Im Gegensatz zu anderen manuellen Methoden wird nicht stetig Kontakt zum Patienten/Klienten gehalten. Die Behandlung wird immer wieder durch kleine Pausen (ca. 2 Minuten) unterbrochen. Das soll dem Körper Zeit geben, die gesetzten Impulse zu verarbeiten. Decken halten den Körper während der Entspannungsphase angenehm warm. Diesem Rhythmus folgt die Behandlung etwa 20 Minuten. Ziel ist es, die körpereigenen Kräfte zu aktivieren, die Muskeln zu entspannen und das Nervensystem auszubalancieren, „wie bei einer Komposition“.
Basierend auf diesen Grundannahmen, werden also keine Krankheiten behandelt, sondern die Bedingungen für Gesundheit verbessert. In vielen Fällen kommt es zur Verbesserung des Blut- und Lymphflusses als auch zur tiefer greifenden, vegetativen Veränderungen. Somit werden nicht nur die Muskeln, sondern auch innere Organe positiv beeinflußt. Die positive Wirkung der Bowen Therapie setzt bei den manchen Patienten schon nach einigen Sitzungen ein.
Entsprechend finden sich Anwender sowohl im medizinischen als auch im Wellness-Sektor. Es ist nicht zwingend erforderlich, die Kleidung abzulegen.
Therapierbar sind sowohl chronische als auch akute Krankheitsbilder. Zu den Einsatzschwerpunkten, für die sich die Bowen-Therapie besonders eignet, gehören:
- Rückenschmerzen
- Fehlhaltung der Wirbelsäule
- Muskelverspannung (z.B. im Nacken)
- Ischiasbeschwerden, Steißbeinschmerzen
- Bandscheibenschäden
- Rückenschmerzen während der Schwangerschaft
- Schulterbeschwerden, Tennisarm, Karpaltunnelsyndrom
- Hüft-, Knie- und Fußschmerzen
- Achillessehnenbeschwerden, Hallux valgus
- Beschwerden durch Beinlängenunterschied, Beckenschiefstand
- Kopfschmerzen, Migräne, Schiefhals, Kiefergelenkprobleme
- Asthma, Brustenge
- gestörter Lymphfluss, Ödeme
- Harninkontinenz, Bettnässen, Blasenbeschwerden, Nierenschmerzen
Auch ergänzend zu anderen Heilverfahren
Die Bowen-Therapie kann allein oder als Ergänzung zu anderen Heilverfahren, wie zum Beispiel Massagen, angewandt werden. So Bowen-Praktiker betonen, dass die Therapie bei fast allen Beschwerden heilsam wirke und bei Menschen jeden Alters eingesetzt werden könne. Allerdings gibt es auch Fälle, in denen Vorsicht geboten sei: Schwangere sollten zum Beispiel nicht am Steißbein behandelt werden. Was üblicherweise gegen Durchfall oder Verstopfung helfen soll, könne auch eine Frühgeburt auslösen. Und bei Frauen mit Silikonbusen dürfen keine Brustbehandlungen gemacht werden, damit sich die Implantate nicht verschieben. Doch ansonsten gilt: Wenige Griffe sollen dem Körper helfen, in einen Zustand der Tiefenentspannung zu gelangen. Das autonome Nervensystem beruhige sich, der Körper könne in Ruhe arbeiten und zur Balance finden.
Der Autodidakt Thomas A. Bowen (1916-1982) entwickelte die Methode in den 50er Jahren in Australien. Als Sportfan verbrachte er viel Zeit bei Football-Spielen, wo er Masseure bei ihrer Arbeit beobachtete. Er begann selbst, verletzte Spieler zu massieren, und lernte dabei von einem Therapeuten. Sein anatomisches Wissen bezog er aus Büchern und entwickelte seine Technik durch Experimentieren. Mit seiner außergewöhnlichen Fähigkeit, den Körper des Patienten zu „lesen“, durchlief Tom Bowen eine Wandlung vom Arbeiter zu einem der gefragtesten Therapeuten seiner Zeit. Ab 1959 gab er Anwendungen in einem Haus von Freunden. Kurze Zeit später kündigte er seinen Tagesjob und mietete eine Praxis, die sehr erfolgreich wurde. Sechs Therapeuten assistierten und beobachteten ihn über Jahre. Tom Bowen selbst arbeitete immer individuell.
Selbstheilung
Er ging davon aus, dass die verträglichste Therapie diejenige ist, welche die von ihm angenommene, jedem Organismus innewohnende Selbsterhaltungs- und Selbstorganisationstendenz unterstützt. Eine Behandlung in diesem Sinne hat also zum Ziel, die Bedingungen zur „Selbstheilung“ so weit wie möglich zu verbessern. Bowen selbst bezeichnete sich als „Osteopath“. Die Begriffe „Bowen-Therapie“ und „Bowen-Technik“ wurden erst nach seinem Tod geprägt. 1987 gründete ein Schüler Bowens die erste Schule, die Bowen Therapy Academy of Australia, und brachte die Technik in ein lehrbares Format. Mittlerweile haben sich zwölf nationale Verbände gebildet, die, angelehnt an die Bowen Therapie Academy, ihre Mitglieder vertreten. Seit Mitte der 80er Jahre haben sich weltweit einige unterschiedliche, sehr gute Interpretationen seiner Arbeit etabliert, die an verschiedenen Instituten gelehrt werden. Drei davon bieten im deutschen Sprachraum Ausbildungen an.
Die grundlegende Idee hinter der Bowen-Behandlung ist: Durch Griffe an bestimmten Stellen des Körpers wird das Bewusstsein auf ein bestimmtes Areal aufmerksam gemacht. Daraufhin setzen – ausgehend vom Gehirn - Nervenimpulse ein, die auch an anderen Körperstellen Effekte auslösen können, ähnlich wie bei der Akupunktur. Der Körper bekommt „vEntwarnung“, der Heilungsprozess wird dadurch beschleunigt. Diese Theorie der Nervenstimulierung richtet das Augenmerk auf die rollenden Bewegungen bei der Anwendung. Diese „Moves“ erzeugen Frequenzen, die sich auf den gesamten Körper auswirken. Eine endgültige Erklärung, warum die Therapie wirkt, gibt es bisher aber nicht. Und weil sich die bisherigen Wirkungsnachweise auf Einzelberichte beschränken, übernehmen die Krankenkassen die Kosten nicht.
Beschreiben lässt sich die Bowen-Therapie gut mit einer Abgrenzung von anderen Verfahren: „Bowen“ ist keine Massage, weil sie sich mit sanften Impulsen begnügt. Anders als bei der Akupressur liegen die Punkte, an denen angesetzt wird, nicht alle auf den Energieleitbahnen (Meridianen). Auch mit der Physiotherapie gibt es nur teilweise Überschneidungen. Im Unterschied zum Rolfing ist die Bowen-Therapie keine gezielte und tief gehende Behandlung des Bindegewebes.
Fragen an Heilpraktiker Tobias Hauser, dem Leiter des DZBT (Deutsches Zentrum für Bowen-Therapie) in Dießen am Ammersee
Was passiert bei der Bowen-Therapie?
Im Grunde kann man sich das so vorstellen, als ob das gestresste Gewebe darauf aufmerksam gemacht wird, dass es gestresst ist. Wir provozieren den Muskel und erhöhen die Spannung noch einmal, dann rollt der Muskel und geht in die Befreiung. Es sind sehr zarte Bewegungen. Es kann manchmal etwas wehtun, das hört dann sofort wieder auf und ist eher die Ausnahme. Der Effekt, der bei der Bowen-Therapie auftritt, ist sicher für jene Leser nachvollziehbar, die die progressive Muskelentspannung nach Jacobsen kennen: Ein Muskel wird angespannt, angespannt und angespannt - und dann losgelassen. Das Ergebnis: Ein Gefühl der Entspannung tritt ein, die Kräfte fließen wieder. Die Bowen-Therapie mobilisiert die Selbstheilungskräfte im Körper und wirkt auch regulierend auf das Nervensystem. Körperliche Beschwerden haben oft psychische Gründe. Besonders wenn für Funktionsstörungen keine Ursache gefunden werden kann, liegt der Schluss nahe, dass es sich um eine emotionale Blockade handelt, die sich an der schwächsten Stelle im Körper zeigt.
Sie gehen davon aus, dass Emotionen im Körper festsitzen?
Unser Körper ist ein Speicherort für die Gefühle, die wir nicht bereit sind zu fühlen, in dem Moment wo sie auftreten. Das erklärt, warum z.B. Knieschmerzen, für die keine Ursache gefunden werden konnte, verschwinden, sobald sich der Patient an ein Ereignis in seinem Leben erinnert.
Das Besondere an der Bowen-Therapie sind die „Moves“ (der englische Begriff für „Bewegungen“). Warum?
Damit ist eine Bewegung gemeint, in der der Behandler zunächst die Haut mit der Hand oder den Fingern sanft zurückschiebt, um dann eine Bewegung in möglichst intensivem Kontakt zu Muskeln, Muskelhäuten (Faszien), Sehnen oder Bändern - also den Strukturen unter der Haut - durchzuführen. Durch diese Technik wird diese zusätzliche Spannung in den gestressten Strukturen gelöst, und die Regulationskräfte werden in Gang gebracht.
Wie lange dauert eine Behandlung?
Eine Behandlung dauert zwischen 15 und 45 Minuten. Die Länge richtet sich danach, wie viele Impulse der Patient verarbeiten kann, denn die Bowen-Therapie bringt einiges im Körper in Bewegung. Besonders sensible Personen sollten anfangs nur kurz behandelt werden, weil sie möglicherweise stark reagieren. Das kann sich in Erschöpfung und relativ häufig in einer Art intensivem Muskelkater äußern. Für den, der am nächsten Tag arbeiten muss, ist das dann nicht so förderlich. Daher lieber kürzere Behandlungen und dafür regelmäßig. Natürlich hängt die Behandlungszeit auch vom Beschwerdebild ab. Wer aufgrund chronischer Beschwerden kommt, z. B. Migräne, bei dem wird möglicherweise das Steißbein behandelt, weil dies nicht selten in Relation zur Migräne steht. Und diese Behandlung dauert dann evtl. nur 15 Minuten.