“Kranke Rücken soll man drücken“
Die in einem kleinen Dorf im Allgäu begründete Dorn-Methode ist so wirksam, daß sie sich inzwischen weltweit verbreitet. Ob in Rußland, Südamerika oder Australien – in allen Erdteilen wird schon nach dieser sanften Wirbelsäulen-Therapie behandelt. Allein im deutschsprachigen Raum helfen mehrere hundert Ärzte, Heilpraktiker und Krankengymnasten, aber auch Laien, mit dem „Daumendrücken“ ihren Zeitgenossen, die unter Rückenschmerzen leiden. Und das äußerst erfolgreich. Schließlich hat diese Methode die solideste Basis, die man sich denken kann: Sie ist buchstäblich der Natur abgeschaut, ja abgetastet.
Die Erfolgsgeschichte beginnt mit Hexenschuß
Dieter Dorn, ein Sägewerk-Betreiber in Lauterach bei Memmingen, wollte einen Baum hochheben – da kam er selbst nicht mehr hoch. Hexenschuß! Da kam dem Allgäuer der alte Schloßbauer aus dem Nachbardorf in den Sinn, über den er am Stammtisch gelacht hatte. „Schlimmer kann es eh nicht werden“, dachte sich Dorn und machte sich auf zu dem „Knocheneinrenker“, der schon auf die 80 zuging. Der renkte aber gar nicht, sondern Dorn musste mit dem Bein schlenkern, während der Alte mit wenigen Handgriffen den Wirbel reindrückte. Geradeso, wie er's bei einer alten Bäuerin im Kemptener Umland gesehen hatte, die immer das Vieh „eingerichtet“ hat – und die Dienstboten dazu. Auch beim Sägewerkbesitzer Dorn war der Schmerz im Nu weg, und er konnte gleich wieder seine schwere Arbeit tun.
Verblüfft fragte er, ob man so etwas lernen könne. „Du brauchst es nicht lernen, Du kannst es“, war die Antwort. Der Alte forderte Dieter Dorn auf, mit dieser Methode weiterzuarbeiten, da er selbst nicht mehr lange leben würde. Dorn blieb tatsächlich keine Zeit mehr, in die Lehre zu gehen, denn vier Wochen später lag der Schloßbauer schon krank darnieder.
Doch die Sache ließ Dorn keine Ruhe. Sein Interesse war geweckt. Nur – er musste sich die Methode nun selbst erarbeiten. Dorns erste Patientin war seine Frau, die seit zehn Jahren an starken Kopfschmerzen litt, die allen medizinischen Heilversuchen trotzten. Diese Schmerzen verschwanden nach der Behandlung ebenso rasch wie sein Hexenschuß verschwunden war, und sie sind seitdem nicht mehr wiedergekommen.
Erst medizinisch ahnungslos – aber mit Gespür
„Ich wußte die ersten zehn Jahre nicht einmal, daß es die Dornfortsätze waren, auf die ich bei der Behandlung drückte“, gesteht Dieter Dorn heute, „ich dachte, das seien die Bandscheiben; ein solcher Laie war ich damals.“ Heute weiß er: „Wenn ich anatomische Kenntnisse gehabt hätte, hätte ich alles so kompliziert gesehen, daß ich mich vieles nicht getraut hätte.“ So aber hat er die Not des betroffenen Mitmenschen buchstäblich erspürt, und weil er alle Sinne nur auf das Finden der normalen Funktion gerichtet hatte, ging es wie von selbst. Beim Abtasten der Halswirbelsäule seiner Frau spürte er Ungleichheiten. Einfühlsam lockerte er die Muskeln, drückte auf den vorstehenden Wirbel, der glitt in seine richtige Position – und die Frau war beschwerdefrei.
Der Landwirt begann, abends nach Feierabend in der Küche seine Nachbarn, Kollegen und Kunden zu behandeln. Mit der Zeit kamen immer mehr Hilfesuchende zu Dieter Dorn, und vielen hat er helfen können. Im Laufe der Jahre habe er etwa 20.000 Menschen die Wirbelsäule „gerade gemacht“, bilanzierte er 1997 beim ersten Kongreß über seine Methode. Noch heute praktiziert er werktags in den Abendstunden mit etwa 15 Patienten und Lernwilligen. Bis aus Norddeutschland, Österreich und der Schweiz kommen sie, haben viel Positives von der effektiven Behandlung der Gelenke und der Wirbelsäule nach Dorn gehört. Es mag vielleicht überraschen, aber immer wieder gehören auch Ärzte, ja sogar Orthopäden zu seinen Patienten - und anschließend oft auch zu seinen Schülern. Neue Patienten kann der Allgäuer inzwischen nicht mehr annehmen, er verweist auf die „Dorn-Therapeutenliste“.
„Wenn a Bein rausgeht, muss es ja auch wieder reingehen“, mit dieser unkomplizierten Sichtweise gelingt es Dorn, Beine wieder an den rechten Platz zu komplimentieren, nachdem er zuvor die harten Gesäßmuskeln weichgedrückt hat: „Hartes muss man drücken, Weiches muss man dehnen – nicht umgekehrt!“ Dorn behagt es, von seiner gefundenen Methode nach 25 Jahren sagen zu können: „Ich hab´ mich noch in keinem einzigen Punkt korrigieren müssen.“ Eine zuvor ischiaskranke Nachbarin – Dorns zweite Patientin – rief zwei Stunden später, als die akute Entzündung abgeklungen war, aus dem Fenster herüber: „Ich kann wieder laufen!“, und sie lief noch all die Jahre, bis sie mit 85 starb, täglich über die Bergkuppe zur Kirche; vom Hüftgelenk-Operieren war keine Rede mehr. So ging es weiter. Ein Sägewerk-Kunde hatte immer gehumpelt, solange Dorn ihn kannte. Nun machte Dorn auch ihm "das Bein rein" – und es war vorbei damit.
Dorn-Therapeuten sollen Hausaufgaben geben
Wenn man nach einer Behandlung durch den Dorn-Therapeuten keine „Hausaufgabe“ bekommen habe, so der Begründer dieser Methode, solle man zu dem Therapeuten nicht mehr hingehen. Er verweist auf einen Patienten, der schon zehn Mal „nach Dorn“ behandelt worden sei, ohne auf das für ihn Wichtige hingewiesen worden zu sein, und der dann – frustriert – zu ihm kam. „Einmal hätte genügt“, meint Dorn, „aber man muss dem Patienten sagen, was er zu tun hat, sonst sind die Wirbel oder die Gelenke gleich wieder draußen.“
Die Methode Dorn ist nämlich eine äußerst patientenfreundliche Methode: Man kann alle Übungen des Wirbel- und Gelenke-Einrichtens auch selbst machen, braucht nicht unbedingt zu einem professionellen Behandler gehen. Und weil im Gegensatz zur üblichen Chiropraktik die Bänder nicht gedehnt werden und alle ähnlich gefährlichen Manöver unterbleiben, hält das Ergebnis besser und länger – und kann auch von jedem als Behandler erreicht werden, der ein wenig sein Gespür schult.
Schauen wir uns die Dorn'schen übungen der Reihe nach an: Am Anfang steht immer das Messen der Beinlänge. Jeder zweite hat um bis zu vier Zentimeter ungleich lange Beine. Und das ist gefährlich. Denn solange die Beine verschieden lang sind, steht das Becken schief, und auf einer schiefen Basis kann sich die Wirbelsäule nicht statisch exakt aufbauen. Da hilft auch keine Einlagesohle unter dem kürzeren Bein oder gar das Wegoperieren der Überlänge des anderen, ist doch in 98 Prozent aller Fälle das eine Bein schlicht deswegen länger, weil es aus dem Hüftgelenk „subluxiert“, also „draußen“ ist. Der Kopf des Oberschenkelknochens liegt nicht in seiner optimalen Lage in der Hüftgelenkspfanne. Verursacht wird diese Fehlstellung unter anderem durch langes Sitzen und Autofahren.
In die rechte Position gleitet das zu lange Bein zurück, wenn man mit einem einfachen Hebelgriff nachhilft: Bein anwinkeln, Hand an die Pobacke/Gesäßfalte und herziehen, während das Bein neben das andere abgestellt (wenn man bei der übung auf dem Rücken liegt: abgelegt) wird. Um den Unterschied zu messen, muss jemand die gestreckten Beine hochheben und schauen, ob die eine Schuhsohle über die andere hinausragt.
Dieser Hebelgriff ist günstiger als die übliche chiropraktische Einrenkung, weil dabei die Bänder kaum gedehnt werden, und diese Bänder sollen ja das Gelenk halten! Sind die Gelenke – vom Patienten selbst und lediglich unter Mithilfe des Therapeuten – richtiggestellt, dann bekommt man gezeigt und eingeübt, wie man diese übungen allein zu Hause macht. Die Gelenkkorrektur schmerzt übrigens nicht.
Nach Gelenkkorrektur nicht dehnen und strecken!
Manche gehen nach einer chiropraktischen Behandlung zum Krankengymnasten. Doch Dorn zeigte in einem Seminar – zufälligerweise an einer Krankengymnastin – für jeden einleuchtend, warum man in der ersten Zeit nach der Gelenkkorrektur alle Dehn- und Streckübungen weglassen sollte.
Die Krankengymnastin hat massive Rückenprobleme. Als die Frau auf der Liege liegt und ihre gestreckten Beine gehoben werden, überragt ein Absatz den anderen um gut fünf Zentimeter! Nach dem Korrekturgriff mit ein wenig Nachhilfe durch den Therapeuten stehen die Absatzenden parallel – die Beine sind jetzt also gleich lang. Dorn sagt, sie soll sich im Schneidersitz hinsetzen. Bei der Kontrolle danach ist das Bein wieder fünf Zentimeter länger. Erneute erfolgreiche Korrektur. Dann soll sie ihr Knie zum Oberkörper herziehen. Bei der neuerlichen Messung ist das Bein wieder fünf Zentimeter zu lang. Erneute Korrektur, wieder erfolgreich. Wenn nun die Frau bloß in die Hocke geht, um sich die Schuhbänder zu binden, schon ist das Gelenk wieder draußen! Statt in die Hocke zu gehen, beugt man günstiger das Knie, empfiehlt Dorn.
Einfacher Hebelgriff vertreibt Rückenschmerzen auf Dauer
Wichtig ist, daß die Frau nun die nächsten ein bis zwei Wochen dafür sorgt, daß der Gelenkkopf möglichst immer in der Gelenkpfanne bleibt, dann straffen und regenerieren sich die Bänder und halten auch wieder. Die längste Regenerationsphase hat der Mensch über Nacht, also wird die Krankengymnastin jetzt jeden Abend im Bett ihr Hüftgelenk mit dem Hebelgriff richtigstellen. Diesen Griff wird sie auch tagsüber anwenden, immer wenn sie aus dem Auto aussteigt oder wenn sie länger gesessen ist. Lieber einmal öfter – man kann die Dorn'schen Übungen auch zur Vorbeugung machen.
Das Beine-Übereinanderschlagen wird sie sich möglichst abgewöhnen, denn hier zieht das Gewicht leicht den Oberschenkel aus dem Gelenk. Wenn man aufsteht, müßte der Druck von der Seite kommen, damit er zurückgleitet, aber der Druck kommt von unten und so verkantet es. Lassen wir den Oberschenkel „draußen“ und laufen, so reibt es immerzu an der falschen Stelle, bis es zur Entzündung kommt. Wer dann immer noch mit Einlegsohlen „mogelt“, erarbeitet sich sozusagen selber sein neues Hüftgelenk! Wäre der Knochen im Gelenk aber in der richtigen Position, so würde dieselbe Bewegung nicht zerstörerisch wirken, sondern sogar einen guten Stoffwechsel des Gelenkes bewirken.
Auch Armgelenke werden richtiggestellt
Selbst wenn sich beim Messen der Beinlänge die beiden Beine gleich lang zeigen, werden bei der Dorn-Methode alle drei Beingelenke überprüft. Denn manchmal sind an beiden Beinen Gelenke „draußen“, dann können sie gleich lang erscheinen. Das Sprunggelenk wird mit Druck auf das Gelenk hin- und herbewegt. Beim Kniegelenk drückt der Therapeut mit der Wange auf die Kniescheibe, zieht die Wade vor und stellt mit Druck zum Gelenk dieses gerade.
Die Hüften lassen sich im Liegen und auch im Stehen richtigstellen: Man winkelt um 90 Grad den Oberschenkel ab und stellt das Bein langsam unter dem Gegendruck der Hand gerade. Für das Kniegelenk gilt: Das Knie im Sitzen auf dem Boden 90 Grad anwinkeln, mit der linken Hand auf den rechten Oberschenkel Druck ausüben, mit der rechten Hand das rechte Fußgelenk von hinten umfassen, die Wange auf die Kniescheibe drücken und langsam das Bein ausstrecken. Geradeso einfach wie die unteren Gelenke werde gegebenenfalls Finger-, Hand- und Armgelenke richtiggestellt: Ebenfalls um 90 Grad abwinkeln und mit Druck geradestellen.
Zweiter Schritt: Wirbelsäule mit Daumendruck korrigieren
Wenn jetzt die Basis stimmt, geht es an die Wirbelsäule. Auf der nun guten Basis der gleichen Beinlängen werden die einzelnen Wirbel auf richtige Lage kontrolliert und gegebenenfalls mittels einer speziellen sanften Druckmethode unter Bewegung wieder in ihre normale Lage gedrückt. Im Idealfall fühlen sich die Fortsätze der Wirbel wie eine gerade, senkrechte Perlenkette an: Ein Dornfortsatz liegt genau über dem anderen. Spürt man Abweichungen, wird die Muskulatur mit Öl (am besten hochwertiges reines Olivenöl oder Johannisöl) und leichter, wenigstens zehnminütiger Massage gelockert. Nun übt der Therapeut während des Ausatmens mit dem Daumen gezielt Druck auf die Wirbelfortsätze aus, tastet mit beiden Daumen die Wirbelsäule links und rechts von unten nach oben ab. Dabei pendelt der (bis zum 8. Brustwirbel) stehende Patient mit beiden Armen (bei der Brustwirbelsäule) oder mit dem Bein (beim Lendenwirbelbereich), wodurch Zug in der Muskulatur entsteht. Der Wirbel gleitet so in seine richtige Position zurück. Das pendelnde Bein soll übrigens immer das sein, das sich auf der anderen Seite als der verschobene Wirbel befindet.
Sanft und ungefährlich
Selbst das Einrichten der Halswirbelsäule geschieht auf ungefährliche Weise. Es wird nie ruckartig gerissen oder gerenkt, sondern immer nur mit dem Daumen Druck auf eine Stelle ausgeübt. Nachdem die Muskeln gelockert sind, wird der Kopf leicht auf die Seite geneigt und der Patient macht fortwährend Nein-Bewegungen, während der Therapeut auf den Wirbel Druck ausübt, bis er an die richtige Stelle zurückgleitet. Dabei werden keine Bänder gedehnt und keine Nervenleitungen beschädigt, es geht alles ganz friedlich zu.
Positiv auch für Nerven und innere Organe
Die Wirbelkorrektur ist aber nicht bloß für die Wirbelsäule wichtig. Die Steuerung unserer Organe läuft vom Gehirn über das Rückenmark und dann treten zwischen den Wirbeln die Nervenleitungen aus, die zu den Organen führen. Sind die durch Wirbelfehlstellung blockiert, so funktioniert die Organsteuerung nicht. „Manchmal wäre es günstig, man würde, ehe man einen Herzschrittmacher reinmacht, erst einmal den zweiten Brustwirbel reinmachen“, ist eine der trocken-humorvollen Bemerkungen Dorns.
Und wie geht's weiter?
Nach der Dorn-Behandlung sollte der Patient zwei bis drei Tage Anstrengungen jeder Art vermeiden. An den korrigierten Wirbeln kann Muskelkater-Schmerz auftreten. Er ist ein Zeichen für die Stabilisierung der neuen Wirbellage. In dieser Zeit sollte viel Wasser und Kräutertee getrunken werden, um den eingetretenen Entgiftungsprozeß (aufgestaute Gifte und Ablagerungen in den Geweben werden frei) zu unterstützen. Gegenüber anderen Methoden, um Wirbelblockaden zu lösen, hat Dorns „Fühlmethode“ den Vorteil, daß man sie – auch ganz wörtlich genommen – sehr gut begreifen kann. Sie ist keine Wunderkur, sondern eine nüchterne Arbeit mit ganzheitlichem Verständnis am Skelett- und Bewegungsapparat.
Am 19. Januar 2011 verstarb Dieter Dorn, der Begründer der Dorn-Methode.