Eine der Grundannahmen des Jin Shin Jyutsu lautet, dass es eine Lebensenergie gibt, die alles durchströmt, das Universum und alle Lebewesen miteinander verbindet. Wir kennen diesen Gedanken aus verschiedenen alten Kulturen unter Begriffen wie „Pneuma“, „Qi“ oder „Odem“, aber auch aus neueren Therapieformen wie der Bioenergetik. Fliesst diese Energie frei in uns, befinden wir uns in vollkommener Harmonie. Alles ist gut, wir fühlen uns wohl und kraftvoll. Meistens ist es aber eher so, dass Blockaden den Fluss verhindern. Wir fühlen uns dann disharmonisch. Auf der seelischen Ebene zeigt sich dies beispielsweise in Stressgefühlen oder Bedrückung, körperlich fühlen wir die Disharmonie z.B. als Schmerz, Verspannung oder Krämpfen. Im Jin Shin Jyutsu geht es darum, die Disharmonie wieder in Harmonie zu verwandeln.
Die Behandlung beruht auf der Vorstellung, dass es am Körper 26 Zonen gibt, so genannte „Sicherheitsenergieschlösser“, die sich öffnen oder schliessen können. Bei anhaltendem Stress schnappen diese Schlösser ein. Es entstehen Energieblockaden und als Folge davon Beschwerden wie Verspannungen, Schmerzen, Niedergeschlagenheit. Das sind nach dem Verständnis des Jin Shin Jyutsu Warnsignale, die uns die Chance geben, rechtzeitig gegenzusteuern.
Durch bestimmte Fingergriffe können die „Schlösser“ geöffnet und so Entspannung und eine neue Balance erreicht werden. Auch in der Akupunktur, die über Jahrtausende gelehrt und praktiziert wurde, spricht man von bestimmten Energiepunkten, die, wenn aktiviert, Heilung bringen können. Im Jin Shin Jyutsu wird der Mensch jedoch an diesen Stellen lediglich berührt oder berührt sich selbst. Es gibt keine Massage, keinen Druck, keine Stimulation oder Reizung. Man braucht nur den eigenen Atem und beide Hände.
Es ist wohl eine der wenigen Heilkünste, für die man nichts braucht ausser vielleicht einer kuscheligen Decke und ein paar Kissen. Dann legt oder setzt man sich und berührt die Energieschlösser , die für bestimmte Emotionen oder körperliche Zusammenhänge stehen. Dieses Verfahren wird auch „strömen“ genannt. Die Stellen sind über den ganzen Körper verteilt und bilden untereinander ein feines Netz. Im Daumen liegt beispielsweise jener Punkt, der für Sicherheit und Trost steht. Wer beim Nachdenken die Stirn in die Hand stützt, berührt das Sicherheitsenergieschloss Nummer 20, das den Geist beruhigt und die Intuition stärkt.
Das „Strömen“, so der Ausdruck für die Behandlung bei sich selbst oder bei anderen, soll die Sicherheitsschlösser aufschließen, Energien wieder in Fluss bringen und uns frische Kraft geben.
Die Methode gibt es, unter verschiedenen Namen, seit Jahrtausenden. Die Menschen übten sich darin meist unbewusst. Mittels der Hände werden Körper, Geist und Seele harmonisiert. Kleine Kinder lutschen gerne am Daumen, und die elterliche Erfahrung zeigt, dass es beruhigt. Erwachsene lutschen nicht mehr am Daumen, aber sie „drücken“ und „halten“ sich den Daumen, wünschen, dass etwas gelingen möge. Nach Jin Shin Jyutsu steht der Daumen für Sorge, und es ist wohltuend und heilend, bei Sorgen und Befürchtungen den eigenen Daumen zu halten. Auch bei Rückenschmerzen wird oft ganz unbewusst eine nach Jin Shin Jyutsu harmonisierende Haltung eingenommen, in der die Hände nach hinten gerichtet auf dem Becken liegen.
Menschen, die unter Stress leiden oder deren Gesundheit und Wohlbefinden in irgendeiner Weise beeinträchtigt ist, können mit Hilfe der Kunst sich selbst auf ganz einfache Weise unterstützen. Die Methoden des Jin Shin Jyutsu sind so einfach und unauffällig, daß sie überall und zu jeder Zeit angewendet werden können. Jin Shin Jyutsu kann im Büro, daheim auf der Couch, mit dem Partner, in einer Gruppe oder als Einzelsitzung angewendet werden.
Lernen Sie Ihre eigenen Finger-Energieströme kennen
Der Daumen, der mit den Magen- und Milz-Funktionsströmen verbunden ist, hilft nicht nur diesen beiden Organen, sondern auch dem, was diese Ströme im gesamten Körper bewirken. Der Magenstrom, der von Kopf bis Fuß fließt, unterstützt uns z.B. beim Verdauen der Dinge, die uns belasten. Auch Kniebeschwerden haben oft etwas mit einem gestörten Magenstrom zu tun, da dieser quer durch das Knie verläuft.
Um diese Blockade wieder zu lösen, halten Sie einfach den Daumen der einen Hand mit der anderen Hand locker umschlossen. Diese einfache Übung unterstützt das ungehinderte Strömen des Magenstroms. Gleichzeitig hilft der Daumen aber auch dem Milzstrom, der das Immunsystem belebt, die Nerven stärkt, uns aufheitert und Kraft von den Füßen bis zum Kopf zur Verfügung stellt.
Auch die anderen Finger unterstützen Organströme und ihre entsprechenden Emotionen. Wer sich zu viele Sorgen macht, entwickelt Ängste und fängt an, übermäßig genau aufzupassen. Über den Blasen- und Nierenstrom löst der Zeigefinger diese tief liegenden Ängste und das, was eng macht, und alle Muskelverspannungen. Gleichzeitig hilft der Zeigefinger aber auch dem gesamten Uro-Genital-Trakt und dem Gehirn.
Aus der Enge heraus entstehen oft Wut oder Frust und der berühmt-berüchtigte „Stinkefinger“ kommt zum Einsatz. Ich gerade aus der Mitte, eine Laus läuft mir über die Leber, die Galle läuft über. Kommt es zu Wut oder Frust, ist der Leberstrom total überlastet. Der Mittelfinger reguliert die Leber- und Gallenströme und versorgt alle Sehnen, Bänder und Gelenke. Das Organ, das ständig alles, was wir essen, in körperverträgliche Moleküle umwandelt, ist die Leber. Leistet die Leber diese umwandelnde Aufgabe nicht mehr, können Allergien entstehen. Ob mental, emotional oder physisch, der Mittelfinger verstärkt die Vermittlerfunktion zwischen scheinbar Unverträglichem, verbindet, macht verbindlich, freundlich und aufnahmefähig. Auch zuviel PC-Arbeit oder andere Augenarbeit belasten den Leberstrom. Also halten Sie doch einfach den Mittelfinger leicht umschlossen. Ob zwei Minuten oder stundenlang bleibt ihnen überlassen.
Der Ringfinger hilft besonders dem Lungen- und Dickdarmstrom. Er unterstützt die Verarbeitung alter Trauer und jeglicher Verluste.
Der kleine Finger stärkt das Vertrauen, dass ich gut bin, so wie ich bin. Das ständige Bemühen, es anderen recht zu machen, lässt nach und Herz- und Dünndarmströme werden gestärkt.
Anhand dieser kleinen Beispiele sehen Sie: Unsere fünf Finger haben alle eine Aufgabe, sie helfen Organen, Organfunktionsströmen, Gewebestrukturen, Resonanzfeldern, Emotionen usw.
Wie läuft eine Behandlung beim Jin-Shin-Jyutsu-Praktiker ab?
Nach dem Vorgespräch schaut sich der Jin Shin Jyutsu-Praktiker oder die -Praktikerin zunächst den Körper an (man liegt auf dem Rücken) und registriert sichtbare Zeichen von Ungleichgewicht und Verspannungen wie zum Beispiel hochgezogene Schultern. Dann umfasst er die Handgelenke, um die „Pulse“ zu fühlen. Damit ist im Jin Shin Jyutsu der Energiefluss innerhalb der unterschiedlichen Kreisläufe („Organströme“) gemeint.
Danach entscheidet der Praktiker, mit welchem Strom er arbeitet, und hält diese Sicherheitsenergieschlösser jeweils einige Minuten. Insgesamt dauert die Behandlung etwa eine Stunde. Jin Shin Jyutsu verspricht keine Wunderheilungen, und es soll auch kein Ersatz für medizinische Therapien sein. Aber es hilft. Aktuelle Beschwerden (z.B. Verspannungen) sind nach dem ersten „Strömen“ durch einen Praktiker oft wie weggeblasen. Bei chronischen Beschwerden (z.B. Migräne, Heuschnupfen) hälft der Effekt bis zu 24 Stunden vor.
Zehn Termine im Abstand von jeweils wenigen Tagen können dauerhaft Linderung bringen, wenn die Betroffenen auch sonst etwas für sich tun, zum Beispiel ihre Ernährung umstellen. Auch bei anhaltendem Kummer, Trauer oder in einer Lebenskrise kann die Behandlung heilsame Veränderungsprozesse „in Fluss“ bringen und unterstützen. Und viele machen es einfach nur, um sich wohl zu fühlen.
Jin Shin Jyutsu soll vor allem Hilfe zur Selbsthilfe sein. Deshalb ermutigen Praktiker ihre Patienten, sich auch selbst zu „strömen“. Das ist kein Problem, denn anders als etwa bei der Akupressur geht es nicht darum, bestimmte Punkte genau zu treffen. Irgendwo in einem Bereich von rund sieben Zentimetern Finger oder die Hand auflegen - das ist schon alles. Aber bis zu zehn Minuten lang nichts weiter zu tun, als zum Beispiel den Mittelfinger einer Hand zu halten, fällt manchen anfangs schwer. Doch später klappt die Selbstbehandlung auch nebenbei. Viele von uns „Strömen“ sich selbst, ohne es zu wissen. Wer beim Nachdenken die Stirn in die Hand stützt, berührt das Sicherheitsenergieschloss Nummer 20, das den Geist beruhigt und die Intuition stärkt.
Gesprochen wird der Name dieser fernöstlichen Heilmethode übrigens „Dschin Schin Dschiutsu“. Übersetzt heißen die japanischen Worte: „Die Kunst (jyutsu) des Schöpfers (shin) durch den wissenden, mitfühlenden Menschen (jin)“. Früher nannte man es auch „Die Kunst der Langlebigkeit und des Glücklichseins“. Als Kunst versteht man diese Selbsthilfe-Methode übrigens in einem ähnlichen Sinn, wie wir auch von „Lebenskunst“ sprechen.
Jin Shin Jyutsu ist eine geschützte Bezeichnung. Es gibt einen Dachverband, gegründet von der Amerikanerin Mary Burmeister, einer Schülerin des Japaners Jiro Murai, Der Verband hat festgelegt, dass sich „Praktiker“ nur nennen darf, wer Unterricht in der Selbstbehandlung nachweisen kann und mindestens an drei 5-tägigen Praktikerkursen teilgenommen hat. In Deutschland gibt es derzeit ca. 700 Praktiker.
Atmen – die Grundlage unserer Lebensenergie
Eine grundlegende Möglichkeit, das freie Fließen dieser Lebensenergie zu fördern, bietet sich zudem mit jedem unserer Atemzüge. Mit jedem Ausatem können wir angestauten Streß, Anspannung und Angst (aus der alle anderen Einstellungen resultieren) loslassen. Tiefes Ausatmen entleert uns, so daß wir mit dem nächsten Einatem die lebensspendende Energie vollständig empfangen können. Deshalb ist richtiges Atmen so wichtig. Angst und Anspannungen führen zu einer flachen, unvollständigen Atmung. Es ist, als wäre man nicht richtig am Leben angeschlossen. Dies führt zu Mangel an Lebensenergie. Der Atem ist die Grundlage der Energie. Die Lebensenergie, die uns umgibt und das Universum durchdringt, ist uns in der Form des Atems jederzeit zugänglich. Es gibt keinen Mangel an Lebensenergie. Es ist die am meisten verfügbare Ressource. Die Kraft, unser Leben und unsere Welt zu verändern, ist uns also immer zugänglich.