Der Bogensport, eine der ältesten olympischen Disziplinen, erfreut sich in der heutigen Zeit größter Beliebtheit. Dabei steht nicht nur die sportliche Herausforderung im Mittelpunkt, sondern auch das körperliche und seelische Wohlbefinden. Beim Bogensport werden Muskulatur, Bänder, Sehnen, Wirbelsäule und Gelenke sowie Atmung, Geist und Seele in Einklang gebracht. Die Konzentration ist in dieser Sportart Voraussetzung, den Bewegungsapparat gezielt einzusetzen.
Bei diesem Sport kommt es besonders auf eine gerade Körperhaltung an. Die Wirbelsäule und das Becken sind aufgerichtet, so dass die Lendenwirbelsäule gerade und nicht im Hohlkreuz steht. Die Knie sind leicht angewinkelt und unterstützen so den geraden Stand. Bewusstes Atmen trägt ebenfalls zur Entspannung und Konzentration beim Bogensport bei. Auch führt der Wechsel von Spannung und Entspannung der gesamten Muskulatur zu einem besseren Körperempfinden.
Bogensport – ein Ganzkörpersport
Beim Bogensport ist der gesamte Körper unter Anspannung. Dazu braucht man neben Körperbeherrschung auch Kondition. In der Phase des Bogenspannens wird die Rückenmuskulatur eingesetzt. Die gesamte Arm- und Handmuskulatur hat hauptsächlich Streckerfunktion. Brust, Zwischenrippenmuskulatur und das Zwerchfell unterstützen die Atmung. Die Muskelspannung geht weiter über die Gesäß- und Beinmuskulatur. Dabei wird die Kraftanstrengung beim Spannen des Bogens nicht als negativ empfunden. Im Gegenteil, die Anspannung der Muskulatur geht beim Lösen der Sehne in eine Entspannungsphase über. Eine positive Auswirkung zeigt dieser Sport bei Haltungsschäden, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen.
Bogenschießen kann grundsätzlich bei fast allen Krankheitsbildern eingesetzt werden, außer bei Schulterverletzungen und nach Halswirbeloperationen.
Bogenschießen in der Therapie
Der Umgang mit Pfeil und Bogen übt auf die meisten Menschen – ob groß oder klein – eine Faszination aus. Die Begeisterung, mit der diese Sportart betrieben wird, kann in der Therapie bei vielen Erkrankungen genutzt werden. Beim Bogensport handelt es sich um eine Sportart, bei der es keine ruck- oder stoßartigen Belastungen für den Stütz- und Bewegungsapparat gibt. Dies ist die Voraussetzung dafür, den Bogensport in der Sporttherapie wirkungsvoll einzusetzen. Die meisten Patienten denken beim Bogensport nicht daran, dass es sich hier um eine Therapie handelt, sondern unterliegen der Faszination dieser Sportart und sind dadurch eher bereit, die erforderlichen Bewegungsabläufe durchzuführen. Bei korrektem Bewegungsablauf werden die Schultergürtel- und Rumpfmuskeln im Laufe der Zeit gestärkt und auch das Selbstbewusstsein wird gefördert.
Die häufig gestellte Frage, ob Bogensport auch ein Familiensport ist, kann mit einem eindeutigen „Ja“ beanwortet werden. Bogenschießen eignet sich für alle Altersgruppen. Kinder, Jugendliche, Erwachsene, Senioren und Behinderte begeistern sich gleichermaßen für diesen ästhetischen Sport. Ein weiterer Vorteil ist, dass alle Könnensstufen gleichzeitig trainiert werden können und damit auch die Integration gefördert wird.
Erfolgreiches Lernen nach der Teillehrmethode
Wer sich dafür entscheidet, das Bogenschießen zu erlernen, sollte sich nach einem Kurs umschauen, in dem der Bewegungsablauf in vielen Einzelschritten nach der Teillehrmethode gelehrt wird. Diese Methode ermöglicht es dem Schützen, die einzelnen Schritte des Bewegungsablaufes Schritt für Schritt zu erlernen, ohne dass sich Fehler einschleichen, die nur schwierig wieder zu korrigieren wären. Nach und nach wird bei der Teillehrmethode jeder einzelne Schritt des ingesamt komplexen Bewegungsablaufes gelehrt. Begonnen wird mit dem Üben des richtigen Standes. Dazu gehört es, die Füße parallel aufzustellen und das Gewicht ein wenig nach vorne zu verlagern. Und auch wenn das Warten dem einen oder anderen schwer fallen sollte: Einen Bogen bekommen die Schützen bei dieser Methode erst dann in die Hand, wenn der ganze Bewegungsablauf einstudiert wurde.
Je wichtiger dem Schützen gute Treffer werden, desto leichter verkrampft er sich. Soll der Pfeil um jeden Preis in die Mitte treffen, bleibt dem Schützen oft nicht genug mentale Energie für den konzentriert durchgeführten Bewegungsablauf. Wie so oft, ist auch hier der Weg eigentlich wichtiger als das Ziel. Wer sich von seinem Erfolgsdruck befreien kann und wem die Treffer nicht so übermäßig wichtig sind, der hat es leichter, den Schuss im Vertrauen auf einen guten Bewegungsablauf nahezu unbewusst zu lösen – und der wird dann letztlich auch gut treffen.
Meditative Selbstvergessenheit
Autor Eugen Herrigel beschreibt in seinem Büchlein „Zen in der Kunst des Bogenschießens“ das Bogenschießen als meditativen Weg zur Erleuchtung. Die darin vorgestellte Art des Bogenschießens unterscheidet sich zwar von der europäischen, dennoch ist die Kenntnis dieses Klassikers ein echter Gewinn, denn die Kunst sich selbst zu vergessen ist hier wie dort ein zentrales Element. Herrigel beschreibt sehr eindrücklich, dass die Kunst des Bogenschießens nicht allein dazu dienen solle, die Scheibe zu treffen, „sondern vor allem soll das Bewusstsein dem Unbewussten harmonisch angeglichen werden“. Die Technik zu erlernen ist am Anfang natürlich wichtig, auch die Muskeln müssen aufgebaut werden. Doch das ist nicht alles. Das Können muss so verinnerlicht werden, dass es Teil des Unbewussten wird. Dann kann der Schütze sich selbst und seine Umwelt vergessen und ganz gelöst schießen.